Ich finde meine Turnschuhe nicht mehr

Nein, ich habe sie nicht verloren oder verlegt oder geklaut bekommen. Sie sind … nur schwarz. 

Wie bitte? 

Ich glaube, ich erkläre euch das mal: Ich laufe regelmäßig seit meinem 18. Lebensjahr, habe 10 Jahre aktive Triathlonphase hinter mir - und immer waren meine Sportklamotten und eben auch meine Turnschuhe bunt. Auffällig eben, damit sie Sponsoren gleich ins Auge fallen und auch die mitgereisten Freunde bei Wettkämpfen mich in der Sportlermenge gut entdecken und anfeuern konnten.

Beim letzten Turnschuhkauf gab es das passende Paar meiner Größe dann nur noch in schwarz. Fühlt sich ungewohnt an (aha!) dachte ich mir, aber schließlich ist die Farbe ja egal. Viel wichtiger ist die gute Passform.

Jetzt habe ich also schwarze Turnschuhe und finde sie zwischen meinen anderen Tretern nicht mehr. Nicht nur, weil alles andere im Schuhregal gedeckte Farben hat – auch weil mein Verstand immer noch bunte Schuhe erwartet, wenn ich joggen will.

So brauche ich also seit über einem halben Jahr (!!!) mindestens zwei Blicke, manchmal auch mehr bis ich die Turnschuhe entdecke. Jetzt habe ich mich gefragt, wie lange es wohl dauert, die Gewohnheit "bunte Turnschuhe" abzulegen und durch einen anderen Blickwinkel zu ersetzen. 

Das gleiche Prinzip funktioniert bei mir übrigens auch auf anderer Ebene: Ich denke auch regelmäßig mein Auto wäre geklaut, wenn ich mal mit einem Geliehenen zum Einkaufen fahre :) Oder ich befürchte mein Portemonnaie verloren zu haben, obwohl es nur in der "falschen" Jackentasche steckt. Kommt dir das bekannt vor?

Die bekannte Psychologin und Managementtrainerin Vera F. Birkenbihl sagte dazu einmal: "Wenn Sie wissen möchten wie lange eine Verhaltensänderung dauert, dann beobachten Sie sich morgen früh einmal beim Anziehen Ihrer Hose. Schauen Sie, in welches Hosenbein Sie zuerst einsteigen. Und ab übermorgen nehmen Sie jeden morgen das andere Bein. Und dann beobachten Sie wie lange Sie brauchen, bis Sie morgens nicht mehr daran denken, dass Sie ja das andere Bein benutzen. Dann haben Sie eine Verhaltensänderung geschafft." 

Eigentlich ja total zweckmäßig vom Körper und vom Hirn, dass uns so viele Sachen in Fleisch und Blut übergehen, dass wir sie nicht jeden Tag bewußt neu analysieren und entscheiden müssen. Verhalten, Bewegungen, Gedanken, Wissen … alles was wir genug geübt haben, rutscht vom Bewußtsein ins Unterbewußtsein. Wir automatisieren, müssen uns nicht mehr kümmern und haben den Kopf frei für Neues.

Diese Gewohnheiten können uns aber auch hemmen. Was ist mit den Sachen, die wir gar nicht wollen? Traurig sein, dass wir nicht die Beziehung haben, die wir uns wünschen. Immer wieder Süßigkeiten essen, obwohl wir uns gesünder ernähren wollen. Morgens schlecht aus dem Bett kommen…. das Alles ist in Gefühlsbahnen in unserem Unterbewußtsein angelegt und wir manifestieren es täglich. Was wir gefühlsmäßig gewohnt sind, erwarten wir dann auch. Dort haben wir unsere Aufmerksamkeit. Und mit jeder bestätigten Erwartung, verfestigt sich wiederum die Gewohnheit. 

Es braucht also eine bewusste Entscheidung, anders zu denken oder zu fühlen, damit wir neue Bahnen einlaufen. Und die Bereitschaft, uns einzulassen und Unsicherheit auszuhalten. Denn ein Verhalten oder einen Gedanken zu ändern wird sich anfangs ungewohnt anfühlen. Und vielleicht nicht sofort besser. Weil die Veränderung noch nicht mit einem guten Gefühl verknüpft ist. Doch wir können uns quasi darauf verlassen, dass wir die neuen Bahnen einlaufen, wenn wir durchhalten. Und sich mit der neuen Gewohnheit wieder ein neues Gefühl einstellt. 

Das funktioniert mit Zähneputzen, mit der Anschnallpflicht und (in meinem Fall) mit 1,5 Litern Wasser trinken am Tag – warum also sollte es nicht auch mit anderen Themen und letztendlich auch mit meinen Turnschuhen klappen? Vielleicht könnte ich meinem Hirn helfen und die Schuhe vorerst immer an den gleichen Platz stellen?

So. Ich gehe dann jetzt mal ne halbe Stunde laufen. Morgens vor der Arbeit. Das wollte ich schon lange wieder mehr in meinen Alltag integrieren. Aber es fiel mir schwer und jeden Tag habe ich schlaue Erklärungen gefunden, es zu lassen.

"Ich bin dafür nicht gemacht!"… hab ich bis gestern gedacht. Jetzt weiß ich: Ich werde morgen nicht das sein, was ich heute bin – sondern ich bin heute das Produkt meiner Gewohnheiten bis gestern. Und ich kann ab jetzt anders sein :)

Kocht schon mal jemand nen Kaffee?