Dinge, Zeug und Liebhaberei

Letztens habe ich drei Folgen eines Podcasts gehört, in dem eine immerwiederkehrende Frage an die Gäste war:
Welche Sache unter 100$ hast du dir gekauft, die einen positiven Einfluss auf dein Leben hatte?

Im ersten Moment erschien mir das sehr oberflächlich, dann fand ich die Fragestellung doch sehr interessant. Denn wie viele Dinge besitzen wir, die in unserem Leben wirklich einen Unterschied machen? An denen wir uns lang und nachhaltig erfreuen? Die unser Leben bereichert und uns vielleicht eine neue Richtung gegeben haben?

Ich fand für meinen Lebensstil 100$ allerdings sehr hoch. Also habe ich mir Gedanken darüber gemacht, was ich in den letzten Jahren gekauft (also tatsächlich gekauft und nicht geliehen oder kostenlos bekommen..) habe, was unter 40,-€ gekostet hat – und mich und mein Leben positiv beeinflusst hat.
Dabei ist mir erstmal aufgefallen, dass ich tatsächlich recht wenige Sachen neu kaufe. Das hat sich in den letzten Jahren meines Lebens so ergeben. In Gießen gibt es ein großes Netz an Menschen, die Sachen verschenken und dabei z.B. im Internet oder bei Telegramm Plattformen geschaffen haben. So gibt man selbst gerne Sachen weiter, die noch gut sind und bekommt auch oft Sachen die man gerade braucht und die noch völlig intakt sind. Außerdem kann ich mir in meinem Wohnprojekt viele Sachen leihen. Ich freu mich sehr darüber.

Von den Dingen, die ich mir gekauft habe, finde ich diese fünf am besten:

  1. Eine Futterstation für Eichhörnchen (17,99€)
    Ich wohne im zweiten Stock und habe einen ziemlich großen und wild bepflanzten Balkon. Im letztem Jahr lungert öfters ein Eichhörnchen um meine Wasserstelle, die ich für Vögel und Insekten bereit hielt. Ich legte ein paar Erdnüsse dazu und seitdem besuchte mich das Eichhörnchen fast täglich. Um die Nüsse vor dem Winterwetter und dem heftigen Wind hier oben zu schützen, habe ich Ende des Jahres eine überdachte Futterstelle besorgt. Die Nüsse liegen quasi in einer Kiste, die mit einem Blechdeckel versehen ist und das Eichhörnchen kann sich Nuss für Nuss aus der Kiste holen und verspeisen.
    Was soll ich sagen: Das ist das süßeste, was ich je gesehen habe! Wie der kleine Nager mit dem Kopf voran in die Kiste klettert, eine Erdnuss nimmt und sie direkt auf dem Balkon aufknabbert, die Schale in meine Pflanzen wirft und zack - die nächste Nuss holt.
    Seht selbst!

  2. Eine 10er Karte fürs Freibad (33,-€)
    Ich hab es wirklich nicht mehr gewusst: Wie gut Schwimmen tut! Meinem Rücken, meinen Beinen, meiner Seele ♡
    Und mit der 10er Karte habe ich mir eine Art "Regelmäßigkeit" gekauft. Denn die Zahlung im Vorhinein gab mir externe Motivation, den wöchentlichen Schwimmbadbesuch auch durchzuziehen. Mittlerweile ist aus der 10er Karte übrigens eine Saisonkarte geworden ;)

  3. "Schlafwohl" Kissenspray (5,70€)
    Seit ca. einem Jahr leide ich phasenweise unter Schlafproblemen. Da ist der Weltschmerz, der mich trotz Reflexion und Selbstfürsorge manchmal trifft. Klimakrise, Corona, Krieg in der Ukraine und in anderen Teilen der Welt ... meistens habe ich gut eingeübte Strategien, mit solchen Herausforderungen umzugehen. Zustände zu akzeptieren, beitragen was ich kann – doch wie vielen anderen auch, gelingt mir das nachts nicht immer.
    Dazu kommen sehr natürliche Dinge, wie die Hormone! Immer mal wieder durchlaufe ich Phasen von nächtlichen Hitzewallungen und Unruhezuständen. Werde mitten in der Nacht wach und kann nicht wieder einschlafen.
    Jetzt bin ich nicht so der Typ für Medikamente – aber mit meinen Gewohnheiten wie Meditation und Übungen kam ich nicht mehr weiter.
    Und da hab ich ein Kissenspray entdeckt, das nach Lavendel und Vanille riecht. Ausprobiert und für gut befunden. Wie die Hunde in den Versuchen von Ivan Petrowitsch Pawlow werde ich mittlerweile schon entspannt und müde, wenn ich meinen Kopf auf mein eingesprühtes Kissen lege - was natürlich bedeutet, dass ich bei der Arbeit kein Massageöl mit Lavendel mehr benutzen darf, weil ich sonst direkt neben den Klienten einschlafe :)
  4. Einen 0,5l Kaffeebecher (ca.30,-€)
    Der Kaffeebecher war eigentlich ein Not-Equipment. Ich bin letztes Jahr zweimal am Knie operiert worden und nach der ersten Operation durfte ich acht Wochen mein Bein nicht belasten und brauchte Krücken. Wenn du solch eine Situation schon einmal durchlebt hast, weißt du wieviel Kreativität es braucht, Dinge durch die Gegend zu tragen. Mal eben "einen Teller voll Nudeln" auf den Tisch stellen oder eben eine volle Tasse, das ist nicht drin.
    Seitdem hab ihn – meinen Coffe Mug – und möchte ihn nicht mehr missen. Ein Kaffeebecher, der absolut dicht ist und so den Kaffee lange heiß hält, der stoßfest ist (mehrmals in unfreiwilligen Selbstversuchen aus 1m Fallhöhe getestet) und mittels Karabiner nahezu überall befestigt werden kann.
    Das ist so ein Teil von dem man denkt: Warum hab ich da nicht schon früher dran gedacht?

  5. In-Ear Bluetooth Kopfhörer (29,99€)
    Gegen eine solche Spielerei habe ich mich lange gewehrt. Aber auch diese Anschaffung hat etwas mit meiner großen Leidenschaft – dem Kaffee – zu tun. Denn ich habe das Arbeiten im Café für mich entdeckt. Zweimal pro Woche gehe ich ins Café gegenüber und erledige dort meine Büroarbeit, beantworte E-Mails, schreibe Blogeinträge (ja genau, du rätst richtig!) und schaue eben auch Videos, die ich für meine Arbeit brauche. Um niemanden zu stören mit Kopfhörern. Das könnten natürlich auch Kopfhörer mit Kabel sein. Aber jetzt kommt meine zweite große Leidenschaft: Das Radfahren! Da ich versuche, auch meine Kundenaufträge per Rad zu erledigen brauche ich manchmal ein Navi. Mit meinem Telefon und einer speziellen Software kann ich mir die Navigation auf einen der Kopfhörer übertragen lassen. So muss ich nicht während der Fahrt aufs Handy schauen und komme zuverlässig und schnell an. 

Uuuuund dann gibt es da eine Sache, die weitaus teurer war als 50,-€ – die aber seit Wochen mein Herz hüpfen lässt. Ich habe mir dieses tolle Reiserad bauen lassen:

Mein altes Rad war nach 25 Jahren und etlichen Reisen (unter anderem über die Schweizer und Französischen Alpen nach Nizza) einfach durch. Es darf jetzt als "Stadtrad" in Rente gehen. 

Für den Bau des neuen Rades habe ich mir über ein Jahr Zeit gelassen. Christian Wongel von Rad am Grün in Marburg hat es mir nach meinen Wünschen zusammengestellt. Und das Warten hat sich wirklich mehr als gelohnt! An meinen Alltag und die Umgebung von Gießen hat sich Waltraud – so heißt mein flotter Renner – schon gewöhnt. Jetzt in meinem Urlaub geht es auf die erste große Fahrt mit Gepäck: Wir fahren von Nesselwang zum Königssee. Nicht über Stock und Stein, aber über sanfte Hügel und auch mal über Schotterwege ... im Gepäck Zelt und Kocher, so dass wir bleiben können wo es uns gefällt! 

Auf der einen Seite versuche nachhaltig zu leben. Wenn es um Konsum und Gebrauchsgüter geht, bedeutet das für mich:

  1. Dinge, die ich schon habe zu reparieren
  2. Dinge, die nicht mehr zu reparieren sind, gebraucht zu kaufen oder zu leihen
  3. Wenn ich Sachen nicht gebraucht bekomme, auf eine nachhaltige Produktion zu achten

Insgesamt versuche ich mein monatliches Einkommen eher für Verbrauchsgüter (gutes Essen, Erlebnisse) auszugeben, als für Gebrauchsgüter.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Sachen/Dinge, die mich sehr lange glücklich und zufrieden machen. Ich habe den Aufbau des Rades miterlebt und aktiv mit gestaltet. Ich habe lange darauf gewartet und viel Vorfreude entwickelt. Ich weiß, dass dieses Rad meinen Alltag die nächsten 20 Jahre erleichtert und meine Freizeit versüßt. Ich freue mich auf Reisen, neue Landschaften und tolle Begegnungen mit Menschen. Ich freue mich auf die Bewegung!